ZWEI IN EINEM
13. Juni 2008 | Von admin | Kategorie: FotografieHandgemachte Schwarzweißabzüge bilden die Königsklasse der Fotografie. Selbst der kleinste Fehler bei der Ausdifferenzierung von filigranen Graustufen kann einen Fotografen zur Verzweiflung treiben. Von Eugene W. Smith (MAGNUM) ist überliefert, dass er tagelang in seinem Labor gestanden hat, bis eine Vergrößerung das zielgesetzte Ergebnis aufgewiesen hat. Im Zeitalter von Photoshop und entsprechender Plug-ins ist diese handwerkliche Fertigkeit zumindest hierzulande in Vergessenheit geraten. Das zeigt die Besessenheit, mit der komplette Laboreinrichtungen feilgeboten werden.
Bei der Aufnahme selbst gibt es ebenfalls eine Königsdisziplin, die von Fotografen wie Larry Fink, Gilles Peress (MAGNUM) und Alex Webb (MAGNUM) bis zur Perfektion beherrscht werden. Die Magie ihrer Sichtweise besteht darin, dass sie in einem einzigen Querformatfoto zwei bis drei unterschiedliche Handlungsebenen auf einem Foto miteinander verbinden. Diese kompositorische Könnerschaft zeichnet Larry Fink abseits des derzeitigen Inszenierungsgetues aus. Was sich vor seiner Kamera abspielt, bedarf keiner halbgaren Überinszenierung, wie sie heute bis zum Erbrechen praktiziert wird.
Finks SOCIAL GRACES (Photographs 1976 – 1985) über Arbeitslosenbälle in den USA war gerade auf den Markt gekommen, da gab er auf Einladung des Museum Folkwang einen Workshop an der Essener Universität. Er versuchte uns in die Geheimnisse seiner Sehweise einzuführen. Von besonderem Interesse war für uns seine „fliegende“ Handblitztechnik, für die man aber ein anatomisches Wunder mit „drei“ Händen sein muss, um ein annährendes Ergebnis zu erzielen. Rechter Zeigefinger am Auslöser, links mit Daumen und Zeigefinger Scharfstellen, wohin mit dem portablen „fliegende“ Blitz? Das wir kläglich versagten, liegt auf der Hand. Nur einer, André Grossmann, hatte begriffen, worin das tiefere Geheimnis von Larry Finks Geheimtechnik lag. Wenige Monate später verabschiedete sich Grossmann nach New York, wo er fortan als Assistent von Larry Fink arbeitete.
Aber nicht nur deshalb ist der politisch links stehende Larry Fink für mich ein stiller Star der internationalen Fotografie, dessen ungeschmeidige an Velasces erinnernde Bilder so gut wie gar nicht in den unter-haltenden Publikumsmagazinen auftauchen. Ihre Komplexität könnte die Leserschaft schließlich abschrecken. Und das will ja keiner.
Finks Zufluchtsort wie der vieler anderer vom ermüdenden Mainstream der Neo-Neo-Sachlichkeit abweichenden Fotografen ist das Buch.
In seinem 2000 im Verlag powerHouse erschienenen Band RUNWAY über die halbseidene Illusionsfabrik des Modezirkus, analysiert Fink chirurgisch präzise das Gebaren hinter den Kulissen des milliardenschweren Industriezweigs. Wobei mit dem Begriff Backstage die direkte Tuchfühlung zu den Dompteuren und Zirkusdirektoren gemeint ist, deren austauschbaren und spargeldürren Laufsteggazellen auf dem RUNWAY balancieren.
An den Horden von Bodyguards und zweitklassigen Backstage-Fotografen vorbei fotografierte Larry Fink vier Jahre lang in Mailand, Paris, New York auf den Haute Couture Shows die Zauberer mit der Nähnadel wie Thierry Mugler oder Alexander McQueen in seiner unverkennbaren Schwarzweiß-Stilistik. Dagegen haben die Aufnahmen von einigen derzeit angesagten Modefotografen den verführerischen Charme von Panini-Sammelbildern.