FAKE
9. September 2008 | Von admin | Kategorie: FotografiePhilip-Lorca diCorcia (*1951) ist ein Zauberer mit dem Blitzlicht. Gleich stellten ihn Rezensenten in die Ecke des Films. Inszenierte Fotografie im diCorcia-Stil ähnelt Standfotos aus Filmszenen auf frappante Weise. Aber sind sie deshalb Standfotos? Ein Missverständnis. Genauso wie die Kolportage, diCorcia gehöre zur „Boston School“. Die Bezeichnung ist ein Etikettenschwindel. Es soll der Eindruck erweckt werden, die „Boston School“ gebe es tatsächlich. Seitdem klebt an diCorcia das Etikett wie Pattex. Jetzt geht er mit Aceton an die Richtigstellung des Schwindels. In der aktuellen Ausgabe des Kunstmagazins MONOPOL (9/2008) sagt er: „Freunde zu kritisieren fällt mir schwer, aber eines der Probleme mit Nan ist, dass sie als radikal gilt, während sie tatsächlich total konservativ ist in ihrer Art zu fotografieren und ihn dem, was sie rüberbringt. Das meiste, was sie macht, ist von der gewöhnlichen Sorte. Dafür kann man Anerkennung bekommen, warum nicht, aber es tut mir leid: Zum Einzug in das Pantheon reicht das nicht.“
Wer ist Nan, mit der diCorcia abrechnet? Genau. Es ist Nan Goldin. Nach ihrem Anti-Aidsbuch: „Die Ballade von der sexuellen Abhängigkeit“ und nach ihrem anschließenden Drogenentzug, der auch schon Legende ist, passierte nicht mehr viel. Außer, dass der Rummel um ihre Lebensgeschichte größer wurde. Jetzt musste noch eine akademischer Mythos hinzugedichtet werden, der ganz nach dem Geschmack des Kunstmarktes ist: Und so gebar und nährt Nan Goldin die „Boston School“, die glauben machen soll, David Armstrong, Mark Morrisroe, Jack Pierson, Philip-Lorca diCorcia und sie selbst würden ihr angehören: „An dem Mythos stimmt zweierlei nicht“, so di Corcia in MONOPOL weiter. „Erstens die Vorstellung eines solaren Systems mit einer leuchtenden Sonne namens Goldin in der Mitte. Zweitens ein Lebensstil, homosexuell-alternativ, der der ihre war, und alle sollten sich dem unterordnen. Mich hat das als Thema nie interessiert. … Übrigens durfte jeder für den Katalog einen Text schreiben. … Ich habe genau das geschrieben, was ich Ihnen jetzt sage. Es wurde aber nicht gedruckt.“
Philip-Lorca diCorcia
Streetwork 1993-1997
SC 33,5 x 23,5 cm, 72 Seiten
Ediciones Universidad de Salamanca 1998
Philip-Lorca diCorcia (oben)
The Museum of Modern Art, New York
HC 23 x 32 cm, 88 Seiten.
Steidl, 2003
A Storybook Life (keine Abbildung)
HC 160 Seiten
Twin Palms 2003

