FLOSSE IM SCHUBER
28. Juli 2008 | Von admin | Kategorie: FotografieDas Fotobuch wird in absehbarer Zeit kaum von der Regalfläche verschwinden. Die damit zu machenden Profite sind sehr verlockend. Allerdings braucht man dafür Kennerschaft, Geduld, im Zweifel Jahrzehnte, bis aus einem Fotobuch eine Aktie wird. Bewusst vergleiche ich jetzt Äpfel mit Birnen oder besser gesagt Papier mit einem Lebewesen, um die schwer zu begreifenden Gesetze nachzuvollziehen, die von der Marktwirtschaft hervorgebracht werden. Nach dem Washingtoner Artenschutz Abkommen stehen Weiße Haie auf der Liste der bedrohten Tierarten. Dieses Tier kostet auf dem Markt für Haifischflossen 600 US-Dollar. Einzig von Interesse sind die Flossen als Ausgangsprodukt für die berühmt-berüchtigte Suppe. Der Tierkörper des beeindruckenden und allgemeine Urängste hervorrufende Raubtiers wandert als Kadaver zurück ins Meer. Der Vergleich scheint auf den ersten Blick schräg und sehr abwegig, denn genauso gut könnte ich eine Einbauküche statt ein Fotobuch als Vergleichsgröße heranziehen, die Kosten für ein hochwertiges Rennrad neben die für das Abschlachten der aussterbenden Meeresbewohner stellen. Es handelt sich um den immer offener zutage tretenden und scheinbar nach jetzigem Denken unlösbaren Konflikt zwischen Kultur und Natur. Kultur ist toll, aber ohne die Natur ist Kultur ein wertloser Zeitvertreib.
Unten vor den Küsten von Südafrika soll es noch Weiße Haie geben. Mindestens einmal im Jahr lese ich in der Zeitung von einer Attacke „dieser Bestie“ gegen einen Taucher. Worüber ich so gut wie gar nichts lese: wie Fotografen dort unten arbeiten, welche Themen sie für berichtenswert halten. Falls über Südafrika berichtet wird, sind es gewalttätige Konflikte zwischen den Ureinwohnern und Nachfahren der Kolonialisten. Und dass Nelson Mandela, gerade 90 Jahre alt geworden, mit seiner Familie über die Hierarchie der Nutznießer seines Erbes streitet. Fußball, klar, Fußball ist auch manchmal ein Thema. 2010 ist dort unten die WM.
Mir gefällt die unaufgeregte Fotografie des Südafrikaners Guy Tillim, den ich vor ein paar Tagen schon einmal vorgestellt habe. Durch Zufall ist mir ein Katalog in die Hände gefallen, in dem Auszüge aus seinem vergriffenen Buch über Johannesburg gedruckt sind. Nach Ende der Apartheid war es per Gesetz der schwarzen Bevölkerung gestattet, in den gleichen Wohnquartieren zu leben, wie die weiße Bevölkerung. Die Folge dieser Demokratisierung: Konflikte, Spannungen, Gewalt. Die bis dato privilegierte weiße Bevölkerung verließ fluchtartig diese Wohnstätten. Tillim hat die Folgen des Fluchtverhaltens dokumentiert.
David Goldblatt, der Eggleston Südafrikas, ist in dem Katalog vertreten, ebenso „Hyänenmann“ Pieter Hugo mit sehr schönen Porträts von schwarzen Richter/innen im albernen Ornat und langen, lockigen Perücken, einem Kostüm, wie es die Zunftgenossen/innen in England tragen.
Natürlich hat dies alles nichts mit dem Aussterben des Weißen Hais zu tun. Aber gut, dass wir mal darüber gesprochen haben.
Restexemplare des Kataloges sind im Museum Bochum für 5 € erhältlich. Regulärer Preis: knapp 20 €.