CUI BONO
24. Juli 2008 | Von admin | Kategorie: FotografieJames Nachtwey: DEEDS OF WAR
Mich beschleicht jedes Mal innere Unruhe, wenn ich mir unter dem Deckmantel dokumentarischer Objektivität die vorgetragenen Propagandaschauen über fotografische Wahrheitsmomente ansehe. Die Nutznießer solcher Kolportagen können sich die Hände reiben. Von ihrem behaglichen Beobachtungsposten aus haben sie leichtes Spiel, den visuellen Analphabeten dort unten ihre Bildlegenden von selbstlosen Fotografen aufzutischen, die einzig der Wahrheit verpflichtet sich den größten Unannehmlichkeiten aussetzen.
Jeder wird tagtäglich zur Zielscheibe von Manipulationstechniken. Die Werbung vollführt ihre Spiele zielgenau unter Außerachtlassung allzu großer Umwege. Im Betrieb, in Wirtschaft und Politik bedient man sich des Repertoires rhetorischer Tricks, die oftmals das Kaltstellen, Bloßstellen, die Verunsicherung anderer, die geltwerte Vorteilsnahme und eine Vielzahl im psychischen Inventar vorhandene Machtvorstellungen befördern helfen sollen. Eine Illusion ist es zu vermuten, dass sich Nachrichten, Fotografien und dergleichen außerhalb dieser Interessen befänden.
Zeitungen, Magazine, Bücher dienen zuallererst dem Zweck des Geldverdienens. Öffentliche Meinungen werden auf die Weise generiert, um politische Interessen zu manifestieren, über dessen Zielsetzung die Masse weitgehend im Unklaren gelassen wird. Nicht umsonst werden Medien als 4. Macht im Staate neben der Legislative, Judikative und Exekutive bezeichnet. Was Medien tagtäglich servieren, kann man schlucken, von Vorteil wäre es jedoch, mehre Zeitungen parallel zu lesen, um sich über bestimmte Sachverhalte aus unterschiedlichen politischen Richtungen zu informieren und zur Vertiefung entsprechende Literatur zu bemühen. Aber wer kann sich das leisten? Wer kann es sich leisten und hat die Mittel dazu, einem Archäologen gleich die Zusammensetzung eines Sachverhaltes bis auf die Wurzeln hin zu überprüfen?
Was ich hier schildere, ist mein persönlicher Blick. Aus eigener Anschauung habe ich einige Hinweise, wie öffentliche Meinung und nachweisbare Sachverhalte über bestimmte Themen differieren. Ich bewundere deshalb Personen, die mir felsenfest ihre Meinung über Sachverhalte darzustellen versuchen, ohne mir die Quellen zu nennen, auf deren Basis sie ihre Meinung äußern.
Da ich zum Glück nie im Krieg war und in Zukunft alles mir mögliche dafür tun werde, dies zu vermeiden, interessiere ich dennoch für die publizierten fotografischen Bilder vom Krieg. Capas Foto aus dem spanischen Bürgerkrieg gilt in diesem Kontext als Ikone. Foto und Urheber sind im Laufe von Jahrzehnten in den Heiligenstand erhoben worden und gelten seitdem als unantastbar. Alle Bilddeutungen gehen in die gleiche Richtung. Abweichende Äußerungen im Sinne von, das Foto könnte von Capa gestellt worden sein, werden brüsk niedergewalzt.
In US-Schulbücher wird dem Nachwuchs das Agenturfoto von Eddie Adams, das die Exekution eines Vietcongkämpfers auf offener Straße in Saigon zeigt, als Auslöser für die Beendigung des Vietnam-Krieges verkauft. Dass es sich um eine gezielte Desinformation handelt, denn als das Foto in der New York Times zum ersten Mal veröffentlicht wurde, stand das Stimmungsbarometer auf Pro-Vietnam-Krieg, scheint niemanden zu stören. Als der einstige US-Außenminister Colin Powell der Weltöffentlichkeit Fotografien von Saddam Husseins „Giftgasanlagen“ zeigte und anhand dieser „Beweismittel“ den 2. Irakkrieg rechtfertigte, zog er mit seinem späteren Rücktritt immerhin die politische Konsequenz aus seinem Irrtum. Dies hinderte Kriegsfotografen jedoch nicht daran, dem Feind ein hässliches Gesicht zu geben, ihn bewusst zu entmenschlichen, um die Folter in Abu Ghraib zu legitimieren.
Im Gegenzug liefern Fotografen „Kriegskitsch“ vom heldenhaften Soldaten, der um seinen toten Kameraden weint. So erschütternd solche Aufnahmen sind und die „besten“ Aufnahmen sozusagen als „Edelkitsch des jedes Jahr“ mit dem World Press Award geadelt werden, muss man sich fragen, wem solche Darstellungen nutzen. Zumal die Militärzensur darüber entscheidet, welche Fotos zum Abdruck freigegeben werden.
Cui Bono – wem nutzt das, wer hat einen Vorteil davon?