GUY TILLIM
22. Juli 2008 | Von admin | Kategorie: Fotografie
Südafrikanische Fotografen hatte ich bisher noch nicht auf meinem Bildschirm. Die Begeisterung des Fotobuchhandels über den „Hyänenmann“ Pieter Hugo kann ich überhaupt nicht teilen. „Tiere, Menschen, Sensationen“ kann ich im Zirkus haben. Subtil transportieren solche Fotografien das tief in westlichen Köpfen eingegrabene Bild vom „edlen Wilden“, das dem Rassismus trotz politisch anders lautender Äußerungen weiter Vorschub leistet. Oder Roger Ballen, der nächste Kandidat auf der Favoritenliste westlicher Galerien und Museen, fotografierte debile Buren irgendwo abseits in den Bergen. Die Inszenierungen von Roger Ballen haben zugegeben vordergründigen Witz. Aber dieser Witz kann das beklemmende Gefühl kaum ausräumen, dass dieses Bild von Südafrika sehr wenig mit den tatsächlichen sozialen Verhältnissen zu tun hat. Die weiße Upper und Middle Class hat die Sache weiterhin im Griff, trotz des offiziellen Endes der Apartheid, verschanzt sich hinter Stacheldrahtzäunen in bewachten Gated Communities. Und außerdem: Diane Arbus war eine glaubwürdigere Moralistin als Roger Ballen. Dessen Bilder, ich habe sie bei den letzten in Herten stattfindenden Internationalen Fototage gesehen, lassen mich kalt.
Vor ein paar Tagen macht mich mein Kölner Freund auf Guy Tillim (*1962) aufmerksam. Seine Begeisterung kann ich ansatzweise nachvollziehen, auch wenn meine Skepsis gegenüber südafrikanischer Fotografie nach wie vor vorhanden ist. Solange Weiße das Bild dieses Landes über westliche Medien transportieren, ist das in meinen Augen ein Zerrbild. Befremdlich ist am Beispiel von Guy Tillim, dass er mit dem DaimlerChrysler Award ausgezeichnet worden ist. Was Tillim über seine prämierte Arbeit sagte, habe ich dem Pressetext von DaimlerChrysler entnommen:
“Jahrzehntelang wurde der afrikanische Konflikt auf kolonialer Ebene ausgetragen. Jetzt verändern sich die Rahmenbedingungen in dem Maße, in dem die Macht von der kolonialen auf die postkoloniale und moderne Gesellschaft übergeht. Die Gründe für diese Konflikte sind vielschichtig und die Motive der verschiedenen, in Bürgerkriege verwickelten Gruppierungen sind schwer nachvollziehbar. Zerstörte Landschaften legen Zeugnis von diesen Kriegen ab. Gleichzeitig befinden sich zahlreiche unzerstörte Gegenden in einem Prozess der Veränderung und sind in einem Übergangsstadium. Sie werden fortbestehen, aber die Narben, die sie davongetragen haben, bleiben sichtbar.”
“Meine Reisen waren eigenwillig, oft ohne Zweck. Durch die Bilder, die mir geblieben sind, kann ich Augenblicke beschreiben oder eine Reise rekonstruieren. Sie sind es, die den roten Faden ergeben. Die Gründe, die dazu führten, dass ich mich gerade an dem einen oder anderen Ort befand, scheinen banal und sind oftmals in Vergessenheit geraten. Solche Augenblicke sind schwer zu fassen, was sie aber umso verlockender macht. Meine eigene Ausprägung von Idealismus, die ihre Wurzeln in meinem Aufenthalt in Südafrika hatte, als ich während der Zeit der Apartheid in den 1980ger Jahren zu fotografieren begann, hat inzwischen nachgelassen. Es gab Recht und Unrecht, und es schien mir klar, auf welcher Seite ich stand. Man verzichtete auf das, was ich heute vielleicht Subtilität nennen würde, um eine Aussage zum Thema Unrecht zu machen. Ich habe zwar mein Handwerk als Fotojournalist gelernt, aber das Gefühl der Ohnmacht angesichts der Verzweiflung anderer verleitete mich dazu, wegzuschauen, als ob ich das von ihnen reflektierte Licht nur indirekt, diagonal einfinge. Die Weltpresse bestimmte, mit welchen Nuancen darüber berichtet wurde, und ich für meinen Teil hatte mich davon beeindrucken lassen. Vielleicht halte ich gerade deshalb heute nach anderen Welten Ausschau, die ich eine Zeit lang zu betreten trachte. Man kann sie aber nicht alle bewohnen, und was bleibt, ist meist das akute Bewusstsein meiner eigenen Unbehaustheit. Eines kann man dennoch immer: etwas Hässliches, Brutales in etwas Erhabenes und Erlösendes verwandeln. Also besitze ich Fotos, die mir gefallen, aus Gründen, denen ich inzwischen misstraue. Dies sind Bilder aus verschiedenartigen Orten, aber der Grund dafür, dass sie sich alle in einem Zusammenhang wiederfinden, ihre Vergleichsbasis, ist anderer Art: seelische Unruhe, Innenschau, Staunen.”