RUTHLESS
19. Juli 2008 | Von admin | Kategorie: FotografiePreisfrage? Welcher Fotograf ist in der Düsseldorfer Ausstellung „Radical Advertising“ am häufigsten vertreten? Leider falsch geraten. Es ist nicht Oliviero Toscani, sondern Terry Richardson, der noch vor dem Millenniumswechsel den Porn Chic in die Modefotografie transferiert hat. Gestern Abend, noch total erschöpft von der intellektuellen Anstrengung, die mir das Angucken von radikaler Werbung verursacht hat, suche ich bei Ebay nach Terry-Produkten, um mal zu sehen, wie hoch er dort im Kurs steht. Ich finde ein Kaufangebot von „schwoabaseckl“: „Sisley Modekatalog Spring/Summer 2006 mit Fotografien von Terry Richardson, Format ca. 23 x 30 cm, ca. 84 Seiten, Pergament-Schutzhülle minimal eingerissen, sehr guter Zustand, Nichtraucherhaushalt, keine Tiere.“ Hm, interessanter Hinweis.
Vielleicht habe ich einen speziellen Humor, aber die Bemerkung: „Nichtraucherhaushalt, keine Tiere“ klingt im Richardson-Kontext reichlich verwirrend. Ist es nicht der „Son of Bob“, der seine Models gerne bei Sexspielen mit Tieren ablichtet? Und wozu das Rauchen in einer Scheune führen kann, darüber gibt Sisley bestimmt gerne Auskunft.
Gemächlichen Schrittes biege ich durchs Foyer des NRW-Forums in die Ausstellung. Gleich überkommt mich ein wohltemperiertes Wohlfühlgefühl als sei ich in einer Oase des Glücks angekommen, konsumiere Soma und blättere entspannt in Illustrierten. Irgendwie kenne ich die an der Wand hängenden museumspädagogisch schick aufgepeppten Werbetafeln – oder ich bilde es mir nur ein, sie zu kennen.
Jeff Koons, der alt gewordene kleine Junge von nebenan strahlt entrückt ins Nirgendwo, dem die Mama zuvor noch Gel ins Haar gestrichen hat, bevor er adrett gekleidet zur Schule geht, Helmut Langs asketisch widerwillige Werbekampagnen mit unscharfen Modefotos von Juergen Teller hängen dort, Toscanis, Richardsons, direkt gegenüber von LaChapelles und Carl de Keysers Diesel-Werbungen, hinten rechts sehe ich Calvin Kleins androgyne Bauchmuskeljungs, schlendere vorbei an Damian Hirsts Resteverwertung aus seiner pleite gegangenen Restaurant-Apotheke zu Kalle Lasns Adbusters.
Vergeblich suche ich nach dem politischen Wurzelwerk des heilig gesprochen Körperdesigns. Wo also ist Leni? Auf der Toilette, im Bunker, beim Tauchgang? Leni Riefenstahl würde in den White Cube mit Terry, LaChapelle und Co. wunderbar reinpassen, aber so radikal will „Radical Advertising“ offenbar dann doch nicht sein. Man will ja niemanden bei seiner Pflichterfüllung abschrecken. Die Betrachter könnten auf falsche Gedanken kommen, plötzlich merken, was es da vor ihren Augen in sich selbst ist: genau, eine Propagandaschau.
Für meine Begriffe ist die älteste, erfolgreichste, mit der größten Anhängerschaft ausgestatteten Weltmarke unterrepräsentiert. Deren Creativ Director ist krass radikal. In roten PRADA-Schuhen und weißen Kniestrümpfen und im weißen Kleid und einem lustigen weißen Käppe auf weißem Haupthaar läuft er herum und treibt die Androgynität auf die Spitze. Komisch: Warum trauen sich die Kulturplünderer da nicht heran? Gibt höllischen Ärger, ich weiß.
Fazit: „Radical Advertising“ – vorgespielt wird radikale Werbung in Verbindung mit profitorientiertem Populismus. Diese Strategie haben die Ausstellungsverantwortlichen bei Nicholas Serota abgekupfert, den „Gebieter über das Tate-Imperium“ in London. Er habe der Kunst jegliche Tiefe ausgetrieben, sie in leere Hüllen verpackt und mit debilen Slogans versehen – „ganz wie in der Werbung“. Das schreibt MONOPOL über den „Tony Blair der Kunstwelt“. Was kommerziell verwertbar sei, wird aufgesogen, zerkaut und wieder ausgespukt.
Wie sagt die radikale Werberin Angela Merkel immer so treffend: „In den Verhandlungen sind wir einen wesentlichen Schritt weiter gekommen.“