PIETER HUGO
7. Juli 2011 | Von admin | Kategorie: Fotografie
Pieter Hugo sorgte mit seinem Hyänen-Essay beim World Press Photo Award 2006 und der darauffolgenden Buchveröffentlichung für einige Aufregung. In solchen Fällen werden gerne Vergleiche mit den Branchengrößen herangezogen. Dies gibt der Arbeit eine verkaufsbefeuernde Bedeutung, die sich auf dem hitzigen Fotobuchmarkt für signierte Erstausgaben niederschlägt. Ganz gleich, ob der Vergleich mit Robert Franks »The Americans« gerechtfertigt ist, rückt Pieter Hugo den vergessenen Kontinent jenseits von Nordafrika ins Zentrum des Interesses. Da war doch was. Aber was?
»Permanent Error« heißt Pieter Hugos neuste Arbeit über Müllspechte in Ghana. Ins westafrikanische Ghana verfrachtet der kapitalistische Westen seinen Elektronikschrott. Es ist weder neu noch überraschend, dass der dort verarbeitete Schrott hochgiftige Stoffe enthält und der lässige Umgang mit diesen Stoffen zu schweren gesundheitlichen Schäden führt.
Der höhere Zynismus westlicher Praxis, den Schrott aus den glitzernden Konsumzonen den Elenden vor die Füße zu kippen, folgt der kapitalistischen Logik der Wachstumsbeschleunigung. Produkte haben ein vom Hersteller geplantes Verfallsdatum. Nach Ablauf des geplanten Verfallsdatums kommt das Produkt in den Müllschlucker. Weg damit und Neues her. Auf welche Müllkippe, in welchen Verbrennungsofen, in welche Recyclingkanäle der Wohlstandsmüll gelangt ist für westliche Konsumenten uninteressant. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Für die Müllschlucker in Ghana ein Drama, das in das geplante Verfallsdatum des Elektronikschrotts einkalkuliert ist. Die Inkaufnahme von Leid ist praktisch im Kaufpreis enthalten. Was dem Westler eine Konsumfreude ist, ist das Elend der ghanaischen Müllschlucker. Schade, dass Fanons Meisterwerk über die Verdammten aus der Mode gekommen ist.
Das Hyänenmann-Buch hat ein spezielles Farbklima. Pieter Hugo schraubte die Farbtemperatur herunter. Der einheitlich grau nachbelichtete Himmel verleiht der gesamten Arbeit eine gestalterische Ruhe, die das Staunen über seine archaischen Protagonisten zu einem Konsumereignis für westliche am Bauhaus-Ideal geschulte Augen verstärkt. Pornös eingesetzte Farbe würde das Staunen beeinträchtigen. Weniger ist mehr. Man könnte auch sagen: Weniger Farbe ist ein Zeichen von Unsicherheit im Umgang mit Farbe. Van Gogh ist darüber verrückt geworden.
Leicht könnte man auf die Idee kommen, das Eingegraute sei Pieter Hugos Stil. Davon machte er in seinem vorletzten Buch über die Filmindustrie in Nigeria ebenfalls Gebrauch. Gleiches Grau durchzieht auch sein neues Buch »Permanent Error« über die ghanaischen Elektromüllspechte. Einen Stil, der häufig falsch verwendete Begriff aus der Literatur, erkenne ich darin nicht. Hugo legt über seine Bilder ein graues Farbraster, das gleichmacht. Ganz gleich welches Subjet, ob Hyänenmann, Schauspieler der nigerianischen Filmindustrie, ghanaischer Elektromüllsspechte: Pieter Hugo dreht die Farbtemperatur herunter und verwechselt dies mit Stil.
Stil, sagte Gilles Deleuze, hat Musikalität. »Stil ist weder signifikante Struktur noch reflexive Organisation, weder spontane Eingebung noch Orchestrierung oder kleine Musik. Stil hat, wer in seiner eigenen Sprache Stottern und Stammeln kann.«
Robert Frank kann das. Larry Clark kann das. Vielleicht sollte sich Pieter Hugo bei seinem nächsten Projekt einmal die Frage stellen, welche Farbe sein Projekt hat.