DI-WORLD
11. Januar 2010 | Von admin | Kategorie: Fotografie
Heute reicht es als Qualitätsmerkmal, wenn jemand so fotografiert wie. Woran das liegt, könnte man als mangelnde Kenntnis der Fotografie-Historie deuten. Anderseits hat sich das Wie als tricky PR-Trick bewährt, dem Betrachter vorzugaukeln, da würde jemand in gleicher Weise auf die Welt blicken wie der Fotograf X, die Fotografin Y. In dritter Lesung ist darin eine Geschmacksunsicherheit zu erkennen, vielleicht ist es sogar ein Misstrauen gegenüber dem eignen Betrachtungsvermögen, das bei der Ansicht bestimmter Fotografien nicht ausreicht, um zu einem Ergebnis zu kommen. Aus dieser Klemme hilft der Vergleich zum Wie. Ist auch der Rückgriff auf ein Wie abwesend, wird es peinlich.
Im Ramsch des Versandbuchhandels »Zweitausendeins« ist in diesem Monat ein eindeutig sexuell konnotierter Katalog der deutschen Fotografin Diana Scheunemann erhältlich. Im Text heißt es lässig, sie sei irgendwo in Deutschland geboren, jetzt knapp über 30 Jahre alt, bei der Wahl ihrer Sujets agiere sie in der Nachfolge von Nan Goldin. Verlegt ist der Katalog von »Damiani« in Italien.
Wie viel Nan Goldin in Diana Scheunemanns Katalog tatsächlich drin ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Auf jeden Fall nicht auf dem, das der Verlag vorgibt beschrieben zu haben. Vielmehr handelt es sich um einen – dezent ausgedrückt – bemühten Abklatsch der Arbeiten von Terry Richardson für die italienische Modemarke »Sisley«.
Richardson, der Wüstling unter den internationalen Modefotografen, hat in den 1990er Jahren den Kanon der Modefotografie in Richtung Pornographie enttabuisiert. In seiner schamhaarrasierten »Terryworld« erhöht er die Gynäkologie und Urologie zum straßentauglichen Wesen der Mode.
Fazit: Was Diana Scheunemann fotografisch abliefert ist weniger Nan Goldin, auch wenn Goldin einen hohen Nervfaktor erreicht hat. Vielmehr ist es Richardsons ärztlicher Blick durch eine 3,0-Dioptrin-Sehhilfe vom »Tchibo«-Wühltisch. Bei aller Schärfe auf gynäkologische und urologische »Feuchtgebiete« ein simples Wie, eine Mogelpackung mit goldfarbener Typographie.