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MICHAEL HECKHOFF II - KurtSchrage

MICHAEL HECKHOFF II

29. November 2009 | Von admin | Kategorie: Allgemein

Am heutigen Sonntagmorgen (29.11.2009) wurde gegen 11 Uhr die Flucht von Michael Heckhoff beendet. Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei konnte Heckhoff in Mülheim an der Ruhr wieder festnehmen. Sein Tatgenosse Peter Paul Michalski ist weiterhin auf der Flucht. Damit ist meine These zumindest ansatzweise bestätigt, dass es Heckhoff mit seinem Ausbruch aus der JVA Aachen einzig daran gelegen war, von der Justiz einen Straf-Nachschlag zu erhalten, der ihm einen weiteren Verbleib in Justizobhut garantiert.

Im Jahr 1993 hatte ich im Trennscheibenbesuchsraum der JVA Bochum Gelegenheit, mit Michael Heckhoff einige Interviews zu führen. Das bisher in Auszügen im Ruhrgebietsmagazin MARABO und der taz-ruhr veröffentlichte Material verdeutlicht, wie reflektiert der Gewalttäter Heckhoff vorgeht.

© Kurt Schrage

1. TEIL

Jeden Montag gegen 14.15 Uhr, vorausgesetzt es ist kein Feiertag, parkt die gelernte Fotofachverkäuferin Claudia H. ihren weißen Opel-Kadett in der Nähe der Bochumer Strafanstalt. Mit eiligen Schritten geht sie die restlichen einhundert Meter bis zur Besucherpforte, drückt auf den Knopf der Gegensprechanlage und wartet, bis ein Wachhabender die Panzerglastür elektrisch öffnet.

Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Bochum, Postanschrift Krümmede 3, wird im Gefangenenjargon »Krümme-Dich« genannt. Sie gehört in Nordrhein-Westfalen zu den geschlossenen Anstalten für »stark kriminell gefährdete Straftäter«. Dementsprechend scharf sind die Personalkontrollen im Eingangstrakt.

Der Gang durch die Röntgenschleuse, das Abtasten des Körpers mit einem Metalldetektor, Taschenkontrolle, Leibesvisitation gehören zu den rituellen Handlungen im Sinne von »Sicherheit und Ordnung«, die jeden Besucher in die Nähe einer Komplizenschaft mit einsitzenden Strafgefangenen rückt.

Für Frauen, deren Körperöfffnungen des Unterleib eine Beamtin kontrolliert, um die Frauen nach Drogen zu untersuchen, eine demütigende Prozedur.

Bei Claudia H. ist das kollektive Misstrauen der Unformierten noch deutlicher ausgeprägt. Kaum jemand kann verstehen, warum sie über all die Jahre zu Michael Heckhoff hält, gegen den der nordrhein-westfälische Strafvollzug seinen kompletten Sanktionsapparat einsetzt und dessen Aussicht, irgendwann wieder die Freiheit zu erlangen, äußerst gering ist. »Viele Beamte wollen mich provozieren und sagen: Wie können Sie nur? Von dem haben Sie doch sowieso nichts mehr. Manchmal«, sagt Claudia H., »kriege ich darüber einen Wutausbruch. Meine Antwort ist dann: haltet euch gefälligst da raus. Was zwischen Michael und mir ist, geht keinen etwas an.«

Von Peter Ogermann, einem Aufseher im Bochumer Sicherheitstrakt, wird Claudia H. in die »besonders gesicherte Besucherzelle« des Hafthauses 1 geleitet. Der mit einer doppelwandigen Stahltür gesicherte Trennscheibenraum im Untergeschoss des Gebäudes ernüchtert allein durch seine sparsame Innenausstattung: vier Stühle, zwei Tische, Aluminiumaschenbecher und Abfalleimer bilden das bewegliche, Neonröhre, Alarmknopf und Trennscheibe das fest installierte Inventar. Die auf wenige Quadratmeter reduzierte Umgebung erfüllt den rechtsstaatlichen Zweck, die Widerstandsfähigkeit des Gefangenen Michael Heckhoff zu brechen.

Wer Michael Heckhoff ist, darüber gibt es in Justizkreisen keinen Zweifel. Er ist ein »brandgefährlicher Gewalttäter«, Bankräuber und Geiselnehmer mit »überdurchschnittlicher Energie«. Auf seinem Konto im Bundeszentralregister sind zwölf Verurteilungen eingetragen, die seit Mitte der 1970er Jahre mit insgesamt 15 Jahren Freiheitsstrafe geahndet worden sind. Im April und Juli 1994 hat der Karlsruher Bundesgerichtshof in voneinander getrennten Revisionsverfahren zwei weitere strafrechtliche Entscheidungen für rechtskräftig erklärt. Die Landgerichte Duisburg und Arnsberg haben Heckhoff zu 15 Jahren und anschließender Sicherungsverwahrung und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Werden diese Urteile zu einer Gesamtstrafe addiert, steht unter dem Strich eine lebenslange Haft, deren Strafende trotz anderslautender Meinungen bis zum Tod dauern kann.

Die Justiz hat zwei Aufträge zu erfüllen. Zum einen soll sie die Gesellschaft vor Menschen wie Michael Heckhoff schützen. Andererseits hat sie nach Paragraph 3 des Strafvollzugsgesetzes den Auftrag, »das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen und den schädlichen Folgen des Freitheitentzugs entgegenzuwirken«. Im Ergebnis kann der Vollzug weder den einen noch den anderen Auftrag erfüllen. Das zeigen die Rückfallquoten. Der Grund hierfür liegt nach Ansicht von Paul Klee an den überlangen Strafen, »die in Deutschland im Vergleich mit den europäischen Nachbarstaaten für ein und dasselbe Delikt ausgesprochen werden. Unter diesem Druck können Gefangene wie Michael Heckhoff »kaum gebessert« werden. Erreicht wird eher das Gegenteil: »Mit Verzweiflungstaten versuchen sie der Gefängnisrealität zu entfliehen.«

Als Heckhoff am 11. Januar 1993 in Begleitung eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei vom Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg in die JVA Bochum transportiert wurde, war er aufgrund einer schweren Schussverletzung nicht dazu in der Lage, das Transportfahrzeug selbstständig zu verlassen. Von Hausarbeitern wurde er auf einem Krankenwagensitz in den Sicherheitstrakt mit der anstaltsinternen Bezeichnung »Abteilung3« getragen. Unmittelbar nach Heckhoffs Eintreffen ordnete Gefängnisdirektor Henning Köster in Absprache mit dem Düsseldorfer Justizministerium massive Sonderhaftbedingungen für Michael Heckhoff an, die bis auf wenige sprachliche Glättungen das ministeriell abgesegnete 24-Punkte-Programm zur »Häftlingsüberwachung« widerspiegeln:

• Unterbringung des Gefangenen in einem ausbruchssicheren Haftraum
• Sicherung der Zellentür mit einer zusätzlichen Kette
• Tägliche Durchsuchung des Gefangenen und seiner Zelle
• Verbot jeglicher Arbeit
• Ausschluss von allen Freizeiten – auch vom Kirchgang
• Einzelbaden in Begleitung von zwei Beamten
• Fesselung bei Aus- und Vorführungen außerhalb der Anstalt
• Der Gefangen wird dabei von drei Beamten bewacht
• Kontrolle sämtlicher ein- und ausgehender Postsendungen
• Kennzeichnung der Personalakte mit den Vermerken: Fluchtgefahr,
• gewalttätig
• Bewachung der Einzelfreistunde durch zwei Beamte
• Unauffällige Beobachtung des Gefangenen Bei Tag und Nacht

In »strenger Einzelhaft« verbringt Michael Heckhoff 23 Stunden des Tages und denkt in der eigens für ihn präparierten Hochsicherheitszelle Nummer 33 über seine, wie er es zynisch nennt, »Wiedereingliederung in die Gesellschaft nach«. Dass seine Gedanken um einen anderen Inhalt kreisen als die Justiz es sich wünscht, daraus macht er auch im Beisein eines Beamten keine Geheimnis: »Hätte ich die Wahl zwischen Knast und Tod, möchte ich morgen auf der Flucht erschossen werden. Mein halbes Leben habe ich mit Gewalt verbracht. Also muss es auch mit Gewalt ein Ende finden.«

Hoffnung, Verzweiflung, »Vegetieren unter einem Sargdeckel«, das sind für Heckhoff die Symptome der »verschärften Einzelhaft«. »Ich könnte damit leben«, sagt er, »wenn morgens die Zellentür aufginge und ich sofort einen Schlag ins Gesicht bekäme. Dagegen könnte ich mich wehren. Wenn ich aber dreiundzwanzig Stunden am Tag weggeschlossen werde, und ich mich ständig im inneren Monolog befinde, läuft mir langsam das Gehirn aus, und ich kann nicht einmal dabei zusehen. Das lasse ich nicht zu. Ich lasse nicht zu, dass mich der Knast im Kopf zerbricht und aus mir eine Vollzugsmarionette macht.«

Michael Karl Wilhelm Heckhoff, genannt »Blacky«, 1,75 Meter groß, 85 Kilogramm schwer, wurde am 2. Januar 1959 in Mülheim an der Ruhr geboren. Sein Vater Wilhelm Heckhoff war zehn Jahre bei der französischen Fremdenlegion, danach Gastwirt und Fernfahrer. Mit seinen drei jüngeren Geschwistern lebte Michael Heckhoff bis zur Scheidung seiner Eltern im Jahr 1977 in einem Klima ständiger familiärer Spannungen. Heckhoff bekam als körperliche Reaktion im Alter von 14 Jahren Magengeschwüre, eine Krankheit, die ihn bis heute begleitet.

Er schwänzte die Schule, knackte Automaten, stahl Kameras und Moped und entwickelte sich im Laufe der Zeit zum Ausreißer und Streuner. Nach Ende der 6. Klasse musste Heckhoff in Anbetracht der vielen Fehlstunden die Borbecker-Hauptschule in Mülheim-Dümpten »unehrenhaft« verlassen. Die anschließende Autoschlosserlehre an der Shell-Tankstelle Oberhausenerstraße in Mülheim-Styrum brach er nach einem halben Jahr wieder ab.

Zu seinem Vater, der zentralen Figur seiner Jugend, hatte Michael Heckhoff ein besonderes Verhältnis. Er nennt es »Bewunderung«. Wenn Wilhelm Heckhoff sein Quantum Alkohol intus hatte, kam das Legionärstrauma des Vaters zum Ausdruck. »Alles, was sich ihm während einer Kneipenschlägerei in den Weg stellte, walzte er in kriegerischer Manier platt.«

Diese Art der Konfliktlösung, nicht lange zu fackeln, sondern sofort zuzuschlagen, grub sich beim jungen Heckhoff genauso ins Gedächtnis wie das Erziehungscredo seines Vaters: »Ein Junge muss hart gegen sich und andere sein.« Eine Haltung, der Michael Heckhoff treu geblieben ist.

Wie viele Opfer er in den Jahren seiner kriminellen Laufbahn in Angst und Schrecken versetzt hat, darüber gibt eine ganze Palette an Gerichtsakten und Presseartikeln Auskunft. Einige tausend Seiten sind von Polizei und Justiz, von Anstaltspsychologen, Psychiatern und den Medien beschrieben worden, um sein markantes Täterprofil detailliert zu zeichnen und die Tathergänge bis ins Kleinste zu rekonstruieren.

Die BILD-Zeitung bezeichnete ihn nach der Werler Geiselnahme am 30. Juni 1992 als »einen der gefährlichsten Gewaltverbrecher Deutschlands«. Was allerdings in den zugänglichen Unterlagen kaum Erwähnung findet, sind die staatlich legitimierten und von Justizorganen immer wieder bestrittenen Repressionen, mit denen Heckhoff »resozialisiert« werden sollte – auch diese sprechen Bände.

Allein im Archiv der JVA Werl stehen neun gefüllte Aktenordner, in denen in bürokratisch verbrämter Sprache aufgelistet wird, mit welchen Straftechniken Michael Heckhoff »behandelt« worden ist. Hinzu kommen die Akten aus den JVAen Essen, Duisburg, Dinslaken, Hamm, Bielefeld, Bochum, Wuppertal, der Jugendstrafanstalt Siegburg, der geschlossenen forensischen Psychiatrie Viersen und dem Bewahrhaus in Bedburg-Hau. In diesen Einrichtungen der strafenden Vernunft hat Michael Heckhoff den letzten Schliff seiner Sozialisation erhalten.

Fünf Monate nach seinem 21. Geburtstag überstellte ihn die Einweisungsanstalt Duisburg-Hamborn in das damals größte geschlossene Gefängnis in Nordrhein-Westfalen. Von mehr als 1000 Gefangenen in der JVA Werl war Heckhoff der mit Abstand jüngste Gefangene. Die Gerichte in Duisburg, Mülheim und Mönchengladbach hatten ihn des Bankraubs, der gefährlichen Körperverletzung und wegen zweier Ausbrüche aus dem Landeskrankenhaus Viersen für schuldig befunden und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt.

Während des Verfahrens unternahm Heckhoff zwischen Ende November 1980 und Anfang Januar 1981 sechs Selbsttötungsversuche. Im Einweisungsbeschluss vom 8. Mai 1981 lautet die Begründung, den gerade volljährigen Heckhoff ins frühere Zuchthaus der sauerländischen Kleinstadt Werl zu verlegen: »Die Erfahrungen in der Untersuchungshaft zeigen …, dass die von Heckhoff geäußerte Einsicht als Indikator für künftiges Verhalten völlig wertlos ist. Vielmehr zeigt sich eine hohe Anpassungsfähigkeit unter dem Aspekt, unter gegebenen Bedingungen Vorteile für sich zu erlangen und ausnutzbare Situationen herbeizuführen. Letztlich lassen sich geringe Frustrationstoleranz, Dominanzstreben und Aggressionsbereitschaft erkennen.«

14 Monate nach seiner Einweisung in die JVA Werl wurde Heckhoff infolge mehrer Gewaltdelikte am 17.09.1982 auf die »Sicherheitsabteilung B1« verlegt. Aus Widerstand gegen das Strafsystem befand er sich dort sechs Wochen im Hungerstreik. Und wurde vom damaligen Anstaltsarzt Theobald Rieckenbrauck zwangsernährt.

Als Heckhoff wieder bei Kräften war, weil er sich »nicht zur Freude der Justiz hinrichten wollte«, schlug er einen Vollzugsbeamten nieder. Daraufhin ließ die Anstaltsleitung vor seiner Zellentür rote Warnschilder anbringen: »Vorsicht! Gewalttätig«, »Achtung! Greift Bedienstete an«, »Haftraum nur mit zwei Beamten betreten«. Ein viertes Schild mit weißem Kreuz auf rotem Untergrund zeigte an, dass Heckhoff nach dem Abendbrot bis auf die Unterwäsche seine komplette Anstaltskleidung und das Essgeschirr abzugeben habe. Im Innern seiner Zelle war eine Gittertür installiert, außen eine Stahltür. »Ein Hundekäfig eben«, sagt Heckhoff.

Zur freistunde musste er seine Hände durch die Türklappe schieben. Ihm wurden dann »Ketten angelegt« und »von vier bis fünf Beamten begleitet, drehte er auf dem Gefängnishof seine Runden«.

Die Zeremonie zeigte Wirkung. Heckhoff war im Gespräch. »Es kamen gestandene Gefangene wie Alfred Lecki auf mich zu, die im Knast gefürchtet waren. Sie gaben mir zu verstehen: Wenn ich in Werl etwas werden wollte, müsste ich sofort zulangen. Mit allen Konsequenzen arbeitete ich daran, deren Anerkennung zu bekommen. Waren negative Aktionen in Werl geplant: Heckhoff war dabei. Ich muss zugeben: das hat mir richtig gefallen. Ich will damit sagen: Nicht nur der Knast trägt die alleinige Schuld, dass es einen Heckhoff gibt. Die Justiz hat jedoch eine Menge dazu beigetragen.«

Insgesamt acht Jahre war Heckhoff auf der »Sicherheitsabteilung B 1« weggeschlossen. In dieser Zeit hat er vier Jahre lang in »gnadenloser Absonderung« gelebt und über zwei Jahre jedes Gespräch mit seinen Wächtern verweigert. »Man kann sich nicht vorstellen, was es bedeutet, von allem isoliert zu sein. Mein Hass war so fürchterlich, dass ich jede Woche das Mobiliar von mindestens acht Schlichtzellen kurz und klein schlug. Je mehr körperlichen Widerstand ich leistete, desto mehr Druck wurde auf mich ausgeübt. Schlug ich einen Schließer zusammen, kamen zwei neue. Ich konnte mich ja nicht selbst auswechseln.«

Akzeptable Gesprächspartner waren für ihn Mitgefangene, mit denen er sich am Zellenfenster ab und zu Wortfetzen zuwarf. Doch das war untersagt und mit Sanktionen verbunden. Heckhoff erinnert sich an die Drohung, die ihm der damalige stellvertretende Anstaltsleiter und spätere juristische Direktor des Justizvollzugskrankenhauses Fröndenberg, Eckard Kühn mit auf den Weg gab: »Merken Sie sich, Heckhoff. Hier in Werl brechen wir auch Löwen und Tiger. Herr Kühn, antwortete ich: Sie sind der Mensch, den ich abgrundtief hasse. Wenn Sie versuchen sollten, meine Zelle selbst eine Woche vor meiner Endstrafe zu betreten, falle ich Sie an und versuche Sie umzubringen.«

Schon in jungen Jahren entwickelte Heckhoff unter dem Einfluss seines Vaters eine Vorliebe für militärische Disziplin, Uniformen und Waffen aller Art. In der JVA Werl nahm diese Leidenschaft groteske Züge an.

Zeitweise trug »Blacky« einen schwarzen Arbeitsanzug, manchmal einen Hitlerschnäuzer und wie er sagt, »ein richtig fettes Parteiabzeichen der NSDAP am Revers«. In seinem Auftreten bestärkt wurde Heckhoff von einigen Vollzugsbeamten des mittleres Dienstes, die immer dann »ihre demokratische Tarnkappe fallen ließen«, wenn sie Heckhoffs Zelle betraten, »krachend die Hacken zusammenknallten und mit Heil, mein Führer grüßten.«

An Heckhoffs Zellenwänden hingen Nazi-Bilder, Hakenkreuz und Reichskriegsflagge. Auf dem Höhepunkt seines »künstlerischen Schaffens«, fertigte er in der Töpferwerkstatt der JVA Werl »Hitlerbüsten«, »Urnen mit Hakenkreuz« und mit »Hakenkreuz verzierte Aschenbecher«. »Der zuständige Freizeitbeamte war ein Altnazi«, sagt Heckhoff. »Sein Standardsatz war: Im Brennofen ist immer Platz für ein paar Ausländer.«

Heckhoff: »Die gesamte Knastwelt besteht aus Gewalt, Lügen und Täuschungen. Es ist eine einzige Scheinwelt, in der ich eine von Psychiatern und Juristen festgelegte Rolle spielen muss. Ich muss wenigstens zu mir selbst ehrlich sein und mir überlegen, was ich im Vollzug erreichen kann. Wenn ich lache, ist mir nicht zum Lachen zumute. Ich zeige nur mein Gesicht«.

Warum ein Gefangener mit diesem Strafregister ausgerechnet die Nazidiktatur verherrlicht, darüber haben sich der Werler Stadtrat, die Lokalpresse, die Staatsanwaltschaft Arnsberg, Ex-Landesjustizminister Rolf Krumsiek und einige andere Damen und Herren aus nordrhein-westfälischen Justizkreisen die Köpfe zerbrochen. In kollektivem Gleichklang äußerten sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihr Entsetzen über derlei Geschichtsbewusstsein. Dass die Wurzeln von Heckhoffs herausforderndem Verhalten möglicherweise in den Teilen der offen respektive latent operierenden rechtsradikalen Beamtenschaft zu suchen seien, stand hingegen nie zur Debatte.

Bei den Europawahlen am 18. Juni 1989 erzielten die Republikaner in den Werler Stimmbezirken Petrischule I und II, in denen sich die Wohnquartiere von Vollzugsbeamten befinden, zwischen vier und sieben Prozentpunkte. In konkreten Zahlen ausgedrückt: 66 wahlberichtigte Personen hatten in diesen Stimmbezirken für die rechtradikale Partei von Franz Schönhuber votiert.

Hinter der Maskerade des strammen Rechtsradikalen genoss Heckhoff Ansehen beim Republikaner-Korps der Werler Beamtenschaft. Als er begriff, dass er mit seinem »devianten Sozialverhalten« einzig die Strafinstinkte der Justiz weckt, drehte er den Spieß um. Fortan versuchte Heckhoff, Macht über seine Bewacher zu bekommen.

Er legte Dossiers über Beamte des allgemeinen Vollzugsdienstes an. In seinem Taschenkalender notierte er verschlüsselte Informationen über deren menschliche Schwächen. Ein Staatsdiener, der bei ihm finanziell in der Kreide stand, »bohnerte mit Filzpantoffeln« Heckhoffs Zellenfußboden.

In einem Bericht an die Strafvollstreckungskammer Arnsberg schreibt der Werler Oberregierungsrat Jürgen Lipki: Heckhoffs »Antriebsfeder« gegen die Justiz zu kämpfen, sei »allmählich gebrochen« worden, denn »durch ständige Kontakte zu einzelnen Bediensteten bekam sein Feinbild erste Risse«.

(Im nächsten Teil berichte ich über Hintergründe der Werler Geiselnahme am 30. Juni 1992.)

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