DIE ZEIT - »Stan« LIBUDA
16. November 2009 | Von admin | Kategorie: AllgemeinAn der »ZEIT« kommt keiner vorbei, - auch nicht Libuda. Da kommt bei einem Ruhrgebietler helle Freude auf, wenn »DIE ZEIT« in aktiven Krisenzeiten vor Totensonntag andächtig der »50 Vordenker, Vorbilder, Visionäre« gedenkt - der »Deutschen von gestern für die Welt von morgen«. (Nr.47, November 2009) Und wer ist aus dem Ruhrgebiet von Hamburgs Journalisten-Intelligenzia nobilitiert worden, in dieser einschlägigen Verbindung an vorzeigbaren Deutschen in einem Kurzporträt genannt zu werden? Schalkes »Fußballgott« Reinhard »Stan« Libuda (1943-1996). Wer hätte das gedacht?
»Stan« aus dem Gelsenkirchener Haverkamp ist also ein »Vordenker, Vorbild, Visionär« für die Welt von morgen. Eine verwegene Annahme. Erinnert sei an die Verlautbarung aus dem qualmenden Mundraum des einstigen richtigen Bundeskanzlers in der falschen Partei und ZEIT-Mitherausgebers Helmut Schmidt: »Visionäre müssen zum Arzt«.
Pech für Liduda, das er zu spät davon erfahren hat. Als Libuda längst von Krankheit gezeichnet war, hatte er keine Krankenversicherung, die ihm, dem »Vordenker, Vorbild, Visionär« für die Welt von morgen die Rechnung für ärztliche Konsultationen gezahlt hätte. In dieser Hinsicht ist Libuda tatsächlich ein vorzeigbares Vorbild, das in der schwarz-gelben Wachstumsbeschleunigungs-Gesetzeswelt von morgen noch viele Anhänger nach sich ziehen wird. Dann heißt es nicht mehr in einem literarisch verklärenden Unterton: »An Gott kommt keiner vorbei - «, sondern pragmatischer: An Gott in Weiß kommt keiner vorbei »– außer Libuda«.
Der Supertäuscher auf der Rechtsaußenposition mit der Rückennummer 7 war ein tragischer Held, wie Medien ihre tragischen und an sich selbst gescheiterten Helden lieben. Ihnen genüsslich dabei helfen, von öffentlichem Hohn und Spott begleitet an den Abgrund zu gehen, um sich schließlich mit falschen Tränen in die Trauergemeinde einzureihen.
Dass Libuda in Turnschuhen auf dem Sofa liegend starb, ist vielleicht eine Ruhrgebiets-Legende, die zu einem tragischen Helden »in einer kleinlauten Stadt« (ZEIT) wie Gelsenkirchen wunderbar passt.
Klar ist noch nicht ganz, welches Vorbild Reinhard Libuda für welche Jugend darstellen soll? Für die Gelsenkirchener Arbeitslosen, die Hartz IV-, ALG 1- oder ALG 2-Empfänger, für radebrechende Migrantensprößlinge auf Förderschulen, denen wenige Chancen geboten werden, in die deutsche Gesellschaft einzusteigen? Steht Libuda als Symbolfigur für das Ruhrgebiet, das vom Feldherrenhügel der Meinungsmache allzu gerne mit Russschwärze, rauchenden Schloten, mit intellektueller Schlichtheit und niederer Bildung der Einwohner gleichgesetzt wird? Bedient das posthume ZEIT-Kompliment an Reinhard Libuda vielleicht ein beharrlich kolportiertes Vorurteil? Dass im Ruhrgebiet lebende Genies als Sozialhilfeempfänger ohne Krankenversicherung und ohne Zukunft in Turnschuhen vom Discounter auf dem Sofa in einer Schlichtraumwohnung sterben? Dass Libuda es in den Beinen hatte, aber die Lampe im Kopf kaum zum Brennen brachte?
Der Soziologe Norbert Kozicki versuchte mal, dem Schalker »Jahrhundertgenie« (ZEIT) im Arbeiterquartier Haverkamp ein bescheidenes Denkmal zu setzen. Der Herner Künstler Jürgen Grislawski fertigte Studien an, wie die Libuda-Skulptur aussehen könnte, wenn dafür das wenige Geld für einen Bronzeabguss zusammenkäme. Negativ.
Gelsenkirchen hat offenbar andere Nöte als einem vergessenen »Knappen«, mit dem allenfalls noch auf halbliterarischer Ebene Staat zu machen ist, ein Denkmal zu setzen.
Lieber Kurt,
woher hast Du einige Weisheiten, die Du hier in die Welt setzt ?
Wie Du wissen solltest, haben wir in Deutschland im Unterschied zu den USA eine Versicherungspflicht, auch im Bereich der Krankenversicherung.
Und noch etwas: Der Herner Künstler Grislawski versuchte irgendjemand mit seinem wahnsinnig überteuerten Kostenvorschlag über den Tisch zu ziehen. Nur der Betreffende hat das frühzeitig gemerkt und hat nicht den Sozialarbeiter für den sonst so erfolglosen Bildhauer gespielt. Das hat mit Gelsenkirchen sehr wenig zu tun, sondern mit der einfältigen Künsterszene aus dem Dorf Wanne-Eickel.
Wie sagte Rolf Rüssmann im Rahmen meiner Buchpräsentation zur Fussballgeschichte des Fussballkünstlers Reinhard Libuda im Dezember 2007: “90% aller Geschichten über den Stan sind frei erfunden.”
Schönen Feierabend
Kurt
Lieber Norbert,
ich Sachen Versicherungspflicht möchte ich meine Zweifel an deiner Feststellung anmelden. Meine Weisheit geht soweit, dass ich in meinem erweiterten Umfeld Personen kenne, die versicherungspflichtig sind, sich dieser Pflicht aber entziehen. Wenn wir uns treffen, werde ich dir gerne konkrete Einzelheiten nennen, wie Freiberufler sich einigermaßen durchzuschlagen versuchen.
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Soweit meine Weisheit reicht, können auch Fußballer a. D. zur Berufsgruppe der Freiberufler zählen. Und wenn ich die seinerzeitigen WAZ-Berichte von Justen über »Stans« Krankheit recht erinnere, war in den Berichten davon die Rede, dass »Stan« nicht wüsste, wie er die Behandlungskosten für seinen Krankenhausaufenthalt zahlen solle. Inwieweit das eine Behauptung aus dem Fundus der »90%-Legenden« über Libuda ist, um einen legendären Fußballer endgültig zum erbarmungswürdigen Helden herabzuwürdigen, oder eine unbequeme Tatsache, die von seinen Verehrern vehement verneint wird, wer kann das schon mit letzter Gewissheit sagen? Allein die Wahrscheinlichkeit, dass jemand in solch eine Situation geraten kann, ist für mich ein Skandal, der Aufschluss über politische Verhältnisse gibt.
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In Sachen Geschäftspraxis von Jürgen Grislawski muss ich passen. Dass er irgendjemanden über den Tisch ziehen wollte, wie du sagst, entzieht sich meiner Kenntnis. In meiner Verlautbarung an die Welt beziehe ich mich einzig auf meine Augenscheinnahme.
Grislawski zeigte mir in seinem Atelier den Verlauf seines Skulpturenentwurfs. Und als Bewunderer von Libudas Fußballkunst war ich erfreut, dass ihm eine Skulptur gewidmet werden sollte. Dass eine Realisierung des Projekts mißlang, bedauere ich sehr.
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Lieben Gruß aus Bochum
Kurt