PRECHT BEI WEST.ART
4. November 2009 | Von admin | Kategorie: AllgemeinDer WDR holt in der Sendung west.art die vernachlässigte Kultur ins Fernsehen zurück. Wie das geht, konnte man Dienstagabend besichtigen. Serviert wurde eine satt machende Tütensuppe, mit der die Kulturgrammatiker in Köln ihr Publikum abzuspeisen versuchen. Durch die Kochsendung für kulturelle Schmalhanskost führt Anke Engelke. Am Herd ein ernst gelaunter, frisch gefönter Boulevard-Philosoph in dezent changierendem Designer-Anzug, offenem Hemdkragen bis zum Brusttoupetansatz – und – das wird Anke Engelke besonders gut gefallen haben: Richard David Precht sitzt neben Anke Engelke in relaxter Mackerpose.
Die West.Art-Redaktion ist auf die originelle Idee gekommen, den trüben Medienhimmel mit philosophischen Nebelkerzen aufzuhellen. Wer käme dafür besser in Frage als das etwas zu cholerisch dreinblickende Philosophen-Starlet aus Köln, dessen Ratgebererfolge auf dem Buchmarkt für Qualität sprechen sollen.
Precht erklärt auf west-art Philosophie. Jede Woche kommt jetzt eine neue Großvokabel dran. Gestern Abend widmete sich Precht der Großvokabel: Freiheit. Als assoziativer Freigeist, als der er sich ausgibt, entführt Precht in die Precht-Mittel-Welt der Supermärkte, dort hin, wo die Lebensmittelindustrie ihre Wundertüten feilbietet, in die Abteilung Tütensuppen. Wenn das nicht provokant ist?
Am Beispiel der Wahlfreiheit an Tütensuppen erklärt uns Precht die Freiheit. Dass die Freiheit als eineiige Zwillingsschwester die Unfreiheit immer mitdenkt. Dass bei soviel konsumierbarer Wahlfreiheit vor Augen, wir nicht wissen, zu welcher Tütensuppe wir greifen sollen. Das macht laut Precht unfrei. Gut, dass dies mal jemand deutlich ausspricht. Geahnt haben wir das ja immer schon.
Man muss Precht nicht folgen, auch wenn er laut Anke Engelke eine Millionen Leser seiner Schriften gefunden hat. Deshalb sollte man Precht in Schutz nehmen: Die Freiheit, die Rosa Luxemburg in ihren Gefängnisbriefen beschrieb, war tatsächlich ihre Sehnsucht nach Tütensuppen. Nelson Mandela saß 25 Jahre im Knast wegen der geforderten freien Wahl an Tütensuppen. Maggie Thatcher ließ Bobby Sands und seine IRA-Genossen wegen der freien Wahl an Tütensuppen im Maze-Gefängnis verhungern. Demokratischen Wählern in Afghanistan schnitten Taliban die rechten Zeigefinger ab, weil sie statt für die Demokratie für die freie Wahl an Tütensuppen votierten.
Precht lehrt uns: seien wir nicht so kleinlich. Denken wir mehr an uns. Klar gibt es andere Definitionen von Freiheit. Aber, Hand aufs Herz, wen interessieren die verirrten Freiheitskämpfer, wenn man im Supermarkt vor den Tütensuppen steht und vor lauter Unfreiheit nicht weiß, welche Freiheit man sich gönnen soll? Das ist der wahre Fluch der Freiheit. Das muss einem erst mal ins Hirn sickern.
Danke, Anke.