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ANOREXIE - KurtSchrage

ANOREXIE

17. Oktober 2009 | Von admin | Kategorie: Fotografie

Die »Pubertätsmagersucht« Anorexie nervosa ist gemeinhin ein probates Verzichtmittel, dem Modediktat zu folgen und gleichzeitig im privaten Umwelt ein deutliches Zeichen zu setzen. Worin die zivilen Ursachen der Nahrungsverweigerung verborgen liegen, ist strittig. Denn gerne wird einer Essstörung ein psychiatrisches Etikett aufgeklebt. Dem angemessen zu entgegnen hat Gitte Schneider* (Name geändert) den Leidensweg ihrer Essstörung radikal thematisiert.

Gitte Schneider wirkt gefasst. Nervosität ist ihr kaum anzumerken. Konzentriert schildert sie in ihrer Diplomrede, wie sie vor zehn Jahren als 16-Jährige in die Essfalle tappte, welche Stationen sie auf ihrem Leidensweg durchschritt, weil sie von dem unscharfen Gedanken getrieben war, freiwillig zu verhungern.

Ihr vorgelegtes 260-Seitenbuch basiert auf Erinnerungen. Auf Doppelseiten collagierte sie ihren Weg von einem fröhlich unbelasteten Kind, das in der Pubertät nach und nach beginnt, in den für sie scheinbar ausweglosen Abgrund des Nichts zu blicken. Zu sehen sind sensibel ausgewählte Momente der Freiheit eines Kindes, das noch weitgehend vom Nichtwissen geschützt ist, bis dieses Nichtwissen sich in Ahnungen verkehrt, auf die sie als einzige Antwort das Radikalfasten sieht. Die leisen Morsezeichen ihrer Verweigerungshaltung sind offenbar ungehört geblieben.

Die Zuhörer im »Pferdestall« der Ruhrakademie wirken genauso gefasst wie sie. Jeder weiß, worum es in der außergewöhnlichen Diplomarbeit geht. Es geht um die Suche nach der ultimativen Sehnsuchtsformel, die jeder für sich auf eine andere Weise definiert. Sie handelt vom Hunger nach Liebe, nach Anerkennung, vom Hunger nach individueller Freiheit und Spiritualität, davon, dass die ausgesendeten Zeichen auch vom Gegenüber richtig verstanden werden.

Tatsächlich rüttelt Gitte Schneider an einem Tabuthema, dem sich kaum jemand entziehen kann. Wer Diätpläne um der Schlankheit und Attraktivität willen befolgt, kennt den JoJo-Effekt aus eigener Erfahrung: »Die Rückfallquote bei Diäten liegt bei fast hundert Prozent. Jedes dritte Mädchen in Deutschland hat ein auffälliges Essverhalten. Zwei Drittel aller 12- bis 15-jährigen Mädchen in Europa und den USA finden sich nicht schön genug. 40 Prozent aller Mädchen zwischen sechs und 16 Jahren würden sich gerne Fett absaugen lassen. Pro Jahr macht die Schönheitsindustrie einen Umsatz von 120 Milliarden Euro.« (Statistikquelle: Süddeutsche Zeitung Magazin vom 31. Juli 2009)

Schon längst gebe es - klagen Sittenwächter - einen Verfall der Ernährungssitten, an dessen Beschleunigungsprozess die Boulevard-Journaille und das so genannte »Unterschichtenfernsehen« erheblichen Anteil haben. Im Duktus nützlicher Empörung richten sie ihre Blitzlichter gerne auf die glitzernde Scheinwelt der abgemagerten Laufstegprominenz: »Ausgezehrt, knochig, erschreckend klapprig, ihre Schlüsselbeinknochen stehen wie Schlachtermesser hervor. Die Haut? Müde, faltig und zu viel für so wenig Inhalt«, heißt es über das Ex-»Spice Girl« Victoria Beckham.

Kaum ein Wort darüber, das es in zivilen Kreisen widernatürlich ist zu hungern, obendrein wirkungslos und zu einer Blockierung des Genussempfindens beim Essen führt. Dass Diättheorien, die bei striktem Einhalt eines Diätplans den perfekten Körper vorgaukeln und ein nie eingelöstes Glückversprechen abgeben, ist ebenfalls ein Allgemeinplatz. Schließlich liegt die Wahrscheinlichkeit, bei diesen Dressurübungen der Imagekorrektur unglücklich zu werden, fast bei hundert Prozent.

Stattdessen werden über die ausgehungerten Personen Häme und Spott gekippt und ein zweifelhaftes Mitleidsgetue an den Tag gelegt, weil die Personen den lebenden Beweis dafür liefern, welche Abgründe in dem Glückversprechen stecken, ein nach Diät-, Fitness- und Psychoprogramm gestalteter Körper entspräche dem westlichen Idealtypus, der geliebt wird, schön ist, respektiert und leistungsfähig ist und positiv durchs Leben gehen kann.

Viel zu selten wird die Gegenposition des westlich praktizierten Körperterrors formuliert. Worin die Ursachen für das Massenphänomen liegen, den CW-Wert des eigenen Körpers im privaten Windkanal zu optimieren, scheint bisher ungeklärt. Relativierende Zwar-aber-sowohl-als-auch-Erklärungsmuster gibt es zur Genüge. An zuwenig Nachschub an Lebensmitteln kann es angesichts überquellender Supermarktregale nicht liegen, obschon die Nahrungsmittelindustrie vieles dafür tut, sich das Essen abzugewöhnen. Kein Wunder, sollte man meinen, dass etlichen der Appetit vergeht.

Trotz dieser Ungereimtheiten ist der Hunger aus Sicht der Industrienationen ein Luxusproblem. Die oft beschworene Formel: niemand habe zu wenig zu essen, scheint jedenfalls vordergründig aufzugehen. Warum sich dann zivile Personen freiwillig auf eine drastische Hungerkur einlassen, ist möglicherweise vom ideologisierten Sehstil auf den Körper abhängig. An Orten, wo dem radikalen Fasten eine reinigende Wirkung des Körpers zugesprochen wird, kann dies aus einem anderen Blickwinkel betrachtet schon als gestört angesehen werden. Wie schmal der Deutungsgrad ist, aus spiritueller Demut einen Lebensstil des Verzichts zu praktizieren oder aus Imagenot einem zwielichtigen Modediktat zu folgen, ist aus allen Kulturkreisen bekannt.


Interessant sind die legitimen Alltagsstrategien eines Millionenheers an »gesunden« Konsumenten, das zum Druckausgleich gegen die Versagensängste im Privaten, im Studium und Beruf den ultimativen Pharmakick sucht. Schließlich hat sich im gesellschaftlichen Maschinenraum die Taktfrequenz um einige Schlagzahlen erhöht. Ausruhen und Luftholen wird als Signal für mangelnde Anpassungsfähigkeit gesehen, wer weniger als 70 Stunden pro Woche arbeitet ein »Minderleister« geschimpft.

Die Jagd nach den Superzensuren, nach dem Superjob, dazu eine sportlich gestählte Superfigur; dem Leben in Höchstgeschwindigkeit kann offenbar nur noch eine »Leistungselite« folgen, der angeheizt vom Marketinggebell der PR-Agenturen offenbar alle Mittel zum Erreichen der Ziele recht sind. »Leistung muss sich wieder lohnen« - aber unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Preis?

Gemeint sind diverse Psychopillen zur Verbesserung der neurokognitiven Funktionen, die den Appetit, das Gedächtnis, die Libido und den Schlaf positiv beeinflussen. Die pharmakologischen Zaubertrunke werden im Angelsächsischen unter dem Oberbegriff »Neuro-Enhancement« vermarktet. Diese Wunderstoffe regen die Produktion des Happy-Botenstoffs Serotonin im Gehirn an. Dabei handelt es sich ursprünglich um Medikamente zur Behandlung von Patienten mit Alzheimer, Depressionen oder Aufmerksamkeitsstörungen. Von den Befürwortern der Turbostrategie wird die Gute-Laune-Chemie als Beitrag zur Gerechtigkeit verkauft. Wer beim genetischen Roulette benachteiligt worden ist oder sich der geforderten Leistungsmaximierung verweigert, dessen Defizit kann mit Chemie geschmeidig ausgeglichen werden.


Der kurz umrissene Befund verdeutlicht, welche Ratlosigkeit Gitte Schneiders Diplomthema hinterlässt. Von falschen Vorbildern ist die Rede, von Katharsis und Selbstverlust, von einer verzerrten Wahrnehmung, einer anderen Wertvorstellung, davon, allen und allem gerecht zu werden, wie sie auf einen richterlichen Beschluss hin in eine geschlossene Psychiatrie eingeliefert und physisch ans Bett geschnallt in einem geistigen Gipsbett ruhig gestellt wurde. Die Stimmung, die Geräusche in der geschlossenen »Gummizelle« habe sie gespeichert, das Schema schnell durchblickt, nach welchem Effizienzkatalog Psychiatriepatienten behandelt werden, damit sie wieder störungsfrei funktionieren.

In ihrem Buch hat Gitte Schneider prägende Sätze niedergelegt, die über ihren Dämmerzustand Auskunft geben. Als sie nicht mehr laufen konnte, keine Kraft und Ausstrahlung, kein Gleichgewicht mehr hatte, apathisch an die Decke starrte, den Apfel, den sie abends täglich vor dem Fernseher aß, vorher penibel abwog und zwei Stunden darauf kaute, die Blitze im Kopf heller wurden und sie diesen Zustand als angenehm empfand. »Meine Haare fallen aus«, schreibt sie. »Wir müssen sofort lebenserhaltende Maßnahmen einleiten« an anderer Stelle. »Wir können ihnen nicht vertrauen. Wir müssen ihr Zimmer nach Abführmitteln durchsuchen«, »Normal ist: Patienten werden zweimal die Woche gewogen. Das ist zu gefährlich. Sie kommen jeden Morgen zum Wiegen.«

Vier bis fünf Liter Wasser habe sie am Tag getrunken, um die Wiegekontrolle bei ihrem späteren Aufenthalt in einer Spezialklinik für Essstörungen zu überlisten. Sie wollte selbst die Kontrolle über die Dosis an pharmazeutischen Stimmungsaufhellern behalten, selbstbestimmt über sich entscheiden, weder wollte sie gut aussehen noch einer Norm entsprechen. Dass sie bereits körperlich zurückentwickelt war, sich Babyflaum am Körper gebildet hatte und der Monatszyklus ausblieb, man sie in Kauf.

Positiv empfand sie, dass sie sich in der Spezialklink nicht vor anderen rechtfertigen musste, wenngleich sie, wie sie sagt »von hundert Patienten der krasseste Fall war«. Denn bei Körpergröße von 1,76 Meter wog Gitte Schneider 28 Kilogramm, was einem Body Mass Index (BMI) von 9 entspricht. (Der BMI errechnet sich über die Formel: Gewicht in Kilogramm geteilt durch die Körpergröße in Meter zum Quadrat.)

Heute lässt sich Gitte Schneider vom Wohlfühlfaktor leiten. Mit dem Körper, den sie über Jahre hinweg als ihren Feind betrachtete, hat sie ihren Frieden geschlossen. Sie schreibt nichts mehr auf, wiegt nichts mehr ab vor dem Verzehr und isst, was ihr Spaß macht.

Zehn Jahre nach Beginn des schleichenden Prozesses in die Magersucht steht jetzt das Buch zwischen ihr und ihrer »Passio«. Ein starkes Buch, das von Willenskraft, der Sorge um sich selbst und – auch wenn man es nicht vermutet - von einer positiven Lebenseinstellung zeugt.

Illustrationen©Gitte Schneider* (Name geändert)

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